Haushaltsrede von Dr. Oliver Niedostadek

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,liebe Ratsmitglieder, meine Damen und Herren,

Wolfgang Pieper sprach, als er den Haushalt einbrachte, von „Zuversicht in schwierigen Zeiten“ . Und in der Tat: es sind schwierige Zeiten, in denen wir leben; da sind wir uns sicher alle einig. Allen voran der völkerrechtswidrige AngriJskrieg Putins, der seit nun beinahe drei Jahren tobt. Drei Jahre unendliches Leid, Tod und Zerstörung in der Ukraine mit Folgen weit über das Land hinaus. Es ist und bleibt richtig, dass Deutschland hier nach Kräften hilft – sowohl humanitär als auchmilitärisch. Aber wahr ist eben auch, dass uns dieser Krieg und andereglobale Krisen und zusätzlich das, was wir Megatrends nennen, an Grenzen bringen.

Ich nenne hier beispielhaft

  • – die Folgen des Klimawandels,
  • – den demografischen Wandel,
  • – den Fachkräftemangel,
  • – die Digitalisierung,
  • – eine überbordende Bürokratie,
  • – eine in Teilen marode Infrastruktur in unserem Land.

Durch all das geraten auch und gerade unsere öffentlichen Haushalte an ihre Grenzen. Weniger als 5 Prozent der Kommunen in NRW kommen 2024 noch mit ihrem Geld aus. Und in Telgte? Wir haben bereits im vergangenen Jahr ein Defizit von über 9 Mio Euro angehäuft. Für das laufende Jahr gehen wir bislang von einem Minus von gut 5,7 Mio Euro aus – angesichts besserer Gewerbesteuereinnahmen dürfte es nicht ganz so schlimm werden. Im kommenden Jahr soll das Minus dann aber schon wieder 7,5 Mio betragen. Die Ausgleichsrücklage, quasi das Sparbuch unserer Stadt, wies Ende 2022 noch ein Guthaben von 17,2 Mio Euro auf. Die werden wir im nächsten Jahr aufgebraucht haben. Und erlauben Sie mir, um das Bild vollständig zu zeichnen, unseren Blick kurz auch auf das gesamte Eigenkapital unserer Stadt zu lenken, von dem die Ausgleichsrücklage ja nur ein Teil ist. Das Eigenkapital drückt – vereinfacht gesagt – den Wert all dessen aus, was unserer Stadt nach Abzug der Schulden gehört; wenn man so will: ihr Vermögen.

2023 lag sein Wert bei 63,6 Millionen Euro. 2028 werden es, diesem Haushalt nach, nur noch 40,1 Mio Euro sein. Bereits das ist ein Rückgang von 23,5 Mio Euro bzw. 37 %. Aber: das ist noch nicht die ganze Wahrheit. Denn wir planen bis 2028 mit Ausgaben, die in den prognostizierten Jahresergebnissen und damit bei der Prognose des Eigenkapitals nicht berücksichtigt sind. Stichwort: globaler Minderaufwand und Verlustvorträge. Und das sind weitere 15 Mio Euro (genau: 15,4 Mio Euro) Dass das haushaltsrechtlich zulässig ist und wir auch gut daran tun, von diesen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, ist völlig unbestritten; nicht, dass man mich hier falsch versteht. Aber wahr ist dennoch: die finanzielle Situation unserer Stadt ist nochmal deutlich prekärer als ein Blick auf die mittelfristige Finanzplanung und die Entwicklung des Eigenkapitals in diesem Haushalt zunächst glauben lässt. Wir stellen Schecks auf die Zukunft hin aus, die heute noch nicht gedeckt sind.

Rechnet man diese Ausgaben in das Eigenkapital ein, wird es bis 2028 nicht auf 40,1 Mio EUR, sondern sogar auf nur noch 24,8 Mio € abschmelzen. Und das ist ein Rückgang von über 60%. 2In Worten: sechzig Prozent. In 5 Jahren. Das ist wirklich dramatisch. Wir zehren von unserer Substanz. Ja, es stimmt: diese prekäre finanzielle Situation ist auch der Tatsache geschuldet, dass Städte und Gemeinden in NRW strukturell unterfinanziert sind. Ich habe eben schon gesagt, dass kaum noch eine Kommune in NRW mit ihrem Geld auskommt. Ein Grund hierfür ist, dass sie für ihre Aufgaben, die sie dem Gesetz nach zu erledigen haben, schlicht und ergreifend nicht das nötige Geld bekommen. Das ist etwas, das auf höherer politischer Ebene geändert gehört. Das aber entbindet uns als Kommunalpolitik natürlich nicht davon, uns nach Kräften zu bemühen, solide zu haushalten. Mehr denn je stehen wir angesichts explodierender Kosten also gemeinsam vor der Aufgabe, den Spagat zu schaffen, – einerseits für ein funktionierendes Gemeinwesen zu sorgen, für eine Stadt, die attraktiv bleibt und in der die Telgterinnen und Telgter gerne und gut leben, und andererseits bei unseren Entscheidungen den engen finanziellen Rahmenbedingungen ausreichend Rechnung zu tragen. Dem wird in dieser Allgemeinheit wohl niemand hier widersprechen. „Grau (aber) ist alle Theorie“ – auch das wusste Goethe schon. Die Kunst wird darin bestehen, diese Erkenntnis in konkrete Politik bzw. Beschlüsse umzusetzen. Und das wird nicht leicht. Vieles, was wünschenswert wäre, wird nicht umsetzbar sein. Wir werden – mehr denn je – priorisieren und, ja, Abstriche machen müssen.

Was heißt das nun konkret mit Blick auf das kommende Jahr? Der Bürgermeister hat vorgeschlagen, die Steuern deutlich zu erhöhen, um die Einnahmeseite zu stärken. Den Hebesatz für die Grundsteuer B von (eigentlich 530, umgerechnet auf das neue Recht aber von) 605 auf 690 und den für die Gewerbesteuer von 455 auf 490. Was die Grundsteuer B anbetriJt, waren sich alle Fraktionen bereits im Finanzausschuss einig, dass sie das nicht mittragen wollten. Die Erhöhung der Gewerbesteuer hatte jedoch zunächst noch eine Mehrheit gefunden. Einer solchen Erhöhung hätte es meiner Fraktion unmöglich gemacht, dem Haushalt zuzustimmen. Denn bereits heute zahlen, wenn ich es richtig sehe, unsere Gewerbetreibenden in Telgte ohnehin schon die höchsten Gewerbesteuern im gesamten Kreis Warendorf. Eine weitere Erhöhung kam für uns deshalb nicht in Betracht. Daher freut es uns, dass es durch Gespräche im Nachgang zum Finanzausschuss gelungen ist, dass sich auch die Grünen auf eine nur minimale Erhöhung der Gewerbesteuer von 455 auf 463 Punkte einlassen konnten. Das können wir mitgehen. Dass wir in Telgte keine „Grundsteuer C“ für baureife Grundstücke einführen, halten wir auch angesichts rechtlicher Unsicherheiten für richtig. Und dies, obschon in Telgte Wohnraum jeglicher Couleur fehlt – auch und gerade bezahlbarer Wohnraum und hier insbesondere sozial geförderter Wohnraum. 2030 werden wir nur noch etwa 30 Sozialwohnungen in Telgte haben; aktuell sind es noch etwa 200. Wir alle kennen diese Zahlen. Das ist deutlich zu wenig. In Telgte Süd könnten, Stand heute, bis zu 500 neue Wohneinheiten entstehen; ein erheblicher Teil hiervon wird sozial gefördert sein. Das hilft uns auf unserem Weg. Wie sehr genau, wissen wir allerdings nicht, da vieles noch unklar ist.

Sicher aber ist: Das Thema Wohnraum wird uns weiter beschäftigen müssen. Wohnraumförderung ist zugleich auch Wirtschaftsförderung. Und die Attraktivität Telgtes als Wirtschaftsstandort gehört gestärkt. Das Gewerbesteueraufkommen kann nämlich auch dadurch erhöht werden, dass sich neue Gewerbetreibende bei uns ansiedeln. Und das tun sie dann, wenn die Rahmenbedingungen für sie bei uns günstig sind. Daran sollten wir gemeinsam verstärkt arbeiten. Für uns Freie Demokraten ist das ein zentrales Anliegen, weil dies einen erheblichen Beitrag zu besseren Finanzen leisten kann. Auf der Ausgabenseite des Haushalts zeigt sich bereits die prekäre finanzielle Situation; es ist einfach „wenig drin“. Unser Antrag im Finanzausschuss, die Planungskosten für eine interkommunale Wohnungsbaugesellschaft zu streichen, hat keine Mehrheit gefunden. Wir bleiben dabei, dass wir eine solche Wohnungsbaugesellschaft kritisch sehen. Andererseits könnten jüngste Entwicklungen in Telgte Süd in die Entscheidung über die Gründung einer solchen Wohnungsbaugesellschaft hineinspielen; das warten wir einmal ab. Und da die angesetzten Planungskosen von 29.500 € zudem überschaubar sind, ist das Nichtstreichen dieses Ansatzes kein Grund für uns, den Haushalt abzulehnen.

Meine Fraktion stimmt dem Haushalt zu.

Bleibt mir, im Namen meiner Fraktion der Kämmerei im Allgemeinen für ihre Arbeit und Herrn Herzig im Besonderen dafür zu danken, dass er uns beiunseren Haushaltsberatungen wie immer kompetent unterstützt hat. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

Dr. Oliver Niedostadek, Ratsherr und Bürgermeisterkandidat für Telgte 2025