Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren Ratsmitglieder,
der vom Bürgermeister zur Beratung und Verabschiedung eingereichte Haushalt (HH) für das Jahr 2022 gibt nahezu keinen Gestaltungsspielraum mehr für die Politik. Alle finanziellen Mittel der Stadt und auch alle personellen Ressourcen sind – neben den Pflichtaufgaben der Verwaltung- eingebunden in Investitionen in den Schulneu- und Sanierungsbau, in die Feuerwache Westbevern, in Telgte Süd, um nur einige der Investitionsmaßnahmen zu nennen. Der geringe Gestaltungsspielraum spiegelt sich auch in der Zahl der Anträge wider, die die Fraktionen an den HH gestellt haben. Waren das für den HH 2020 noch 52 Anträge, ging die Zahl in 2021 herunter auf 46. Für den jetzt zu verabschiedenden HH waren es gerade noch einmal 28 Anträge; die von CDU und SPD übernommenen Anträge der Vereine nicht mitgerechnet. Und man muss kein Hellseher sein um zu wissen, dass das in den nächsten Jahren nicht besser wird.
Alle Fraktionen haben den vielen Investitionsvorlagen der Verwaltung über das Jahr verteilt zugestimmt; die finanziellen Auswirkungen für die HHe der nächsten Jahre bilden sich jetzt in den Zahlen ab. Die Verschuldung der Stadt steigt deutlich; bezogen auf jeden Telgter Einwohner steigt sie von 701 € in 2020 auf prognostizierte 1.614 € in 2022, also um mehr als das Doppelte. Die Zahlen für 2021 liegen noch nicht vor. Bei dieser Entwicklung darf man als verantwortlicher Ratsvertreter schon Sorgen bekommen.
Aus unserer Sicht kann das so jedenfalls nicht weitergehen; und ich glaube, ich spreche da auch dem Kämmerer aus der Seele. Wir müssen in der Zukunft bei jeder weiteren Investitionsentscheidung diese Zahlen bedenken. Das wäre jetzt auch beim Neubau des Hauses des Musik und Begegnung angebracht gewesen. Und wir dürfen auch nicht davon ausgehen, dass die Gewerbesteuereinnahmen in jedem Jahr so üppig ausfallen wie in 2021. Das tatsächliche Aufkommen ist doppelt so hoch wie prognostiziert, sage und schreibe über 18 Mio €, so hoch wie noch nie. Und das in Corona Zeiten. Unseren erfolgreichen Gewerbetreibenden gebührt unser Dank.
Wiewohl auch Geld scheinbar keine wirkliche Rolle spielt. Die über die städtischen Wirtschaftsbetriebe in der Stadt gehaltenen 6.100 Aktien des RWE-Konzerns wurden durch Mehrheitsbeschluss von Grünen und SPD am 12.10.2021 zum Niedrigwert von 29,70 € veräußert; ohne Not. Es gab keinen finanziellen Engpass, der den Verkauf zu diesem Zeitpunkt notwendig gemacht hätte. Eingefahrener Verlust: ca. 50.000 €. Der Wert der Aktie ist auch vor dem Kriegsbeginn in der Ukraine deutlich gestiegen und steigt weiter. Er liegt z.Zt. bei 40 € die Aktie.
Wir haben uns zu unserem Antrag, den Haushaltsansatz zur Sanierung des Rathauses deutlich um 400.000 € zu erhöhen, von der Verwaltung sagen lassen müssen, eine zügige Sanierung scheitere ja nicht am Geld, sondern an dem langwierigen Planungsprozess. Anfang 2017 musste die Fassade am Rathaus abgesichert werden. Auch nach über 5 Jahren bis heute ist eigentlich nichts getan, außer dass jetzt Gutachter und Planer das Wort haben. Bis einschließlich 2025 stehen nur insgesamt 1,2 Mio € für diese Baumaßnahme im HH. In dieser Legislaturperiode wird es leider mit der Sanierung nichts werden; schade für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Aber vielleicht geht es uns mit dem Rathaus ja wie möglicherweise mit dem Altbau der Don-Bosco Schule; bei genauerem Hinsehen doch nicht sanierungsfähig, sondern abbruchreif. Denkmalschutz hin oder her.
Unser Antrag auf Schaffung von weiteren Parkplätzen insbes. auf dem Busparkplatz hat erfreulicherweise eine Mehrheit gefunden. Und wir haben auch eine grundsätzliche deutliche Zustimmung aus dem Finanzausschuss mitgenommen, was unseren Antrag auf Errichtung eines Jugendparks im Bereich der städtischen Flächen um das Fußballstadion herum betrifft; und die Finanzierung ist auch gesichert. Hoffentlich dauern die Planungen hierzu nicht wieder ewig lang.
Die Stadt muss eine deutlich größere Bereitschaft zeigen, Flächen im Bereich des Bebauungsplans Orkotten, die gewerblich nicht mehr gefragt sind, der Wohnbebauung zuzuführen. Mehr denn je fehlt in der Stadt bezahlbarer Wohnraum; hier Abhilfe zu schaffen ist auch Wirtschaftsförderung im besten Sinn. Die Selbstbindung der Stadt, diese Flächen, auch wenn nicht nachgefragt, als Gewerbeflächen zu erhalten, war falsch, ist falsch und ist aufzugeben. Das fordern wir ja schon seit Jahren; wir erhalten nur leider keine Unterstützung der anderen Fraktionen.
Aber nichts ist so wichtig, wie Mittel zur Verfügung zu stellen, um auch den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine eine menschenwürdige Unterbringung zur Verfügung zu stellen und eine gute Betreuung sicherzustellen. Da unterstützen wir jede notwendige Maßnahme. Und hier geht unser Dank ganz besonders an Herrn Riddermann und sein Team, die unter sehr schweren Bedingungen die so wichtige Hilfe leisten und das richtige und notwendige tun. Auch die Zivilgesellschaft in Telgte zeigt sich in dieser großen Notsituation wieder von ihrer besten Seite. Vielen Dank dafür.
Der HH 2022 und die mittelfristige Finanzplanung sind angespannt. Da wir aber allen Investitionsvorhaben über das letzte Jahr zugestimmt haben, werden wir jetzt auch die Hand heben für die Finanzierung und stimmen dem HH 2022 zu.
Unser Dank gilt Herrn Herzig und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Kämmerei für die Erarbeitung des HHs. Wir behalten die mahnenden Worte des Kämmerers im Ohr.