Herr Bürgermeister, liebe Ratsmitglieder,
wir verabschieden heute einen Haushalt der Superlativen, und das in vielerlei Hinsicht. Wir stellen im HH 2023 und in den Folgejahren Mittel für Baumaßnahmen bereit, die knapp 40 Mio Euro betragen; so viele wie noch nie. Die Mittel fließen in die Sanierung und den Neubau von Schulen, in den Bau der Feuerwache Westbevern, in das Haus der Musik, um nur einige wenige Baumaßnahmen zu nennen. Wir haben für die Unterbringung von geflüchteten und obdachlosen Menschen deutlich über 6 Mio Euro in 2023 aus dem HH aufzubringen; dazu kommen steigende sonstige soziale Leistungen für diese Menschen in Millionenhöhe. Und diese Beträge werden vielleicht nicht einmal reichen, wenn man auf die Weltlage und ihre Krisengebiete schaut. Wir haben zur Finanzierung für 2023 hohe Kreditneuaufnahmen in zweistelliger Millionenhöhe zu tätigen. Der Schuldenstand der Stadt ist weiterhin stark steigend; er steigt auf 34 Mio Euro in 2023. Das Eigenkapital rauscht in den Keller von 70 Mio Euro zu Ende 2021 auf prognostizierte 45 Mio Euro zum Ende der mittelfristigen Finanzplanung 2026. Das ist eine überaus ernste Entwicklung. Der HH schließt eigentlich sogar mit einem tatsächlichen Minus von 12,4 Mio Euro; dieses schlechte Ergebnis wird kosmetisch etwas aufgebessert durch die Möglichkeit der Separierung von Kosten für die Flüchtlinge in Höhe von 3,8 Mio Euro. Das Geld wird Telgte aber nicht geschenkt.
Und es stellt sich die Frage, wie belastbar diese Zahlen sind; ehrlicherweise muss man sagen, dass es darauf keine klare Antwort gibt. Wie sich die Inflation entwickelt, wohin die Zinsen laufen, ob die Energiepreise gebremst werden können, ob die Flüchtlingszahlen weiter steigen, kann redlich hier niemand beantworten. Wir wissen nur jetzt schon sicher, dass jedenfalls der geplante Neubau am Gymnasium deutlich teurer wird als nach den ersten Planungen kalkuliert. Nach einem ersten Kostenrahmen von 6,7 Mio Euro erfolgt im HH 2023 jetzt eine erste Anpassung auf 9,8 Mio Euro. Und das ist sicherlich noch nicht das Ende der Fahnenstange; das wissen wir, seit die Sitzungsvorlage für den Schul- und Bauausschuss vorliegt.
Zusätzlich birgt der HH Unwägbarkeiten und Risiken, die in ihrer Tragweite nicht zu unterschätzen sind. Die Stadt weist in ihrem HH Einnahmen aus dem Verkauf der städtischen Grundstücke Telgte Süd aus: ca. 4,4 Mio Euro in 2023 und in 2024 noch einmal 1,6 Mio Euro. Und was passiert, wenn dies Geld nicht kommt? Bisher können wir wahrlich nicht von einem Erfolgsprojekt Telgte Süd sprechen. Viel Geld, sehr viel städtisches Geld ist für dieses Baugebiet bereits ausgegeben worden. Und die Projektentwicklung rumpelt schwerfällig und bisher erfolglos weiter. Aber vielleicht zeigt der durchgeführte Workshop ja Ansätze, die dem Projekt doch noch zum Erfolg verhelfen; wir würden das begrüßen und sind gespannt, welche Schlüsse die Verwaltung aus dem Workshop zieht.
Auf die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum hat die Stadt seit Jahren keine Antwort gegeben; auch in diesem HH wieder nicht. Jetzt holen uns die Versäumnisse der letzten Jahre ein. Gestützt von der Mehrheit im Rat, weigert sich die Verwaltung seit Jahren, die Voraussetzungen für die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum zu schaffen. Auf der einen Seite ein völlig überteuertes Baugebiet, auf der anderen Seite ein kleinliches Festhalten an einem längst von der Wirklichkeit überholten Selbstbindungsbeschluss im Bereich Orkotten. Verstehen kann man das nicht; aber leider besteht mehrheitlich im Rat noch immer keine Bereitschaft, zügig Planungen den geänderten Lebensumständen anzupassen.
In dem Zusammenhang ist mir das Stichwort Rossmann in den Sinn gekommen. U.a. die Telgter Sortimentenliste, ein Relikt aus alter Zeit, sollte eine Veränderungssperre begründen und absichern, die nach drei Jahren auslief und deren Verlängerung bzw. Neuerlass, getragen von der Mehrheit im Rat, schlicht rechtswidrig war. Und genau das, und nur das, haben die Richter am Verwaltungsgericht in Münster ausgeurteilt. Die Richter haben Recht gesprochen; das ist ihre Aufgabe. Soweit auch zu den juristisch Nebelkerzen, als die der Bürgermeister die Argumente der Klägerseite vollmundig bezeichnet hat.
Statt Wohnraum zu schaffen wollte die CDU lieber eine neue Stelle, nämlich einen Wohnraumförderer in der Verwaltung etablieren. Diese Stelle schafft aber keinen einzigen Wohnraum mehr; anerkannte und geduldete Flüchtlinge bleiben in städtischem Wohnraum, weil sie auf dem freien Wohnungsmarkt keine Wohnungen finden. Und der Wohnungsleerstand liegt in Telgte unter 1 % der vorhandenen Wohnungen. Es ist richtig, dass die Mehrheit im Finanzausschuss für eine solche Stelle keine 85.000 Euro zur Verfügung stellen wollte.
In dieser für die Stadt so schwierigen und herausfordernden Zeit haben sich die Fraktionen im Wesentlichen an den Apell unseres Kämmerers gehalten, mit zusätzlichen Anträgen zum HH zurückhaltend zu sein. Für die Politik gibt dieser HH so gut wie keine Gestaltungsspielräume mehr. Trotzdem war es uns mit der SPD wichtig, den Haushaltsansatz für die Pflege der Grünflächen in der Stadt wieder auf den alten Stand zu erhöhen. Wir haben mit unseren weiteren Anträgen moderat einige Ausgaben streichen bzw. Haushaltsansätze reduzieren können. Mehr gab der Haushalt auch nicht her.
Wir hätten uns eine zügige Sanierung des Rathauses gewünscht; für die Mitarbeiter zeitnah moderne, funktionale Arbeitsplätze, ein Haus, das den ökologischen Ansprüchen eines Grünen Bürgermeisters genügen würde. Das wird jetzt leider nichts; dafür ist nun wirklich kein Geld mehr da.
Es ist richtig und gut, dass die Verwaltung keine Vorschläge zu Hebesatzerhöhungen bei der Grundsteuer und der Gewerbesteuer für das Jahr 2023 vorschlägt. Wir hoffen und setzen, wie immer in den letzten Jahren, wieder auf die hohe Ertragskraft unserer Gewerbetreibenden, die mit ihrer Leistungsbereitschaft und der Schaffung von Arbeitsplätzen einen großen Teil dieses Haushalts mitfinanzieren.
Wir haben den Investitionsvorhaben der Verwaltung im Wesentlichen zugestimmt, auch wenn wir uns, insbes. beim Haus der Musik eine andere finanzielle Umsetzung des Projekts gewünscht hätten. Auch Telgte Süd bekommt weiterhin unsere Stimmen nicht, wenn sich nicht im Umsetzungsprozess gravierendes ändert. Aber sich weg zu ducken, wenn es schwer wird, ist auch keine Haltung. Wir leben in herausfordernden Zeiten und werden im Laufe diesen Jahres sehen, ob die geplanten Projekte umgesetzt werden können oder auch, wo korrigierend eingegriffen werden muss.
Wir werden dem Haushalt 2023 zustimmen.
Karin Horstmann
Sprecherin der FDP-Fraktion