Unser NEIN zum Haushalt 2024 – Haushaltsrede von Karin Horstmann

Herr Bürgermeister, liebe Ratsmitglieder,

die Herausforderungen an den Kämmerer, einen genehmigungsfähigen Haushalt aufzustellen, waren in diesem Jahr so hoch wie lange nicht mehr. Die Ursachen sind steigende Ausgaben in nahezu allen Bereichen; zugleich delegieren Bund und Land weiter staatliche Aufgaben an die Kommunen, ohne diese für die Aufgabenerfüllung finanziell ausreichend auszustatten.  Und in dieser Situation ist in 2023 nun auch in Telgte auf der Einnahmeseite ein signifikanter Ausfall beim Gewerbesteueraufkommen festzustellen; eine Situation, die wir in Telgte in den letzten Jahren nicht kannten. Wir kannten bei den Gewerbesteuereinnahmen nur den steilen Weg nach oben.

Das Eigenkapital der Stadt wird von gut 72 Mio Euro Ende 2022 nach der mittelfristigen Finanzplanung nach 5 Jahren Ende 2027 auf gut 33 Mio Euro sinken; das ist eine bedrohliche Entwicklung.

Wir kennen die Zahlen und wissen um die Rahmenbedingungen. Wir wissen aber auch oder sollten wissen, dass wir als Hauptorgan der kommunalen Selbstverwaltung an dieser Situation keinesfalls schuldlos sind. Einstimmig wurde im Jahr 2020 nach fachlicher Begleitung im Rat der Beschluss zur baulichen Entwicklung der Grundschulen auf Basis der pädagogischen Raumbedarfsplanung der einzelnen Grundschulen gefasst. Waren wir uns über die finanzielle Tragweite dieses Beschlusses wirklich bewusst? Besonders im Hinblick auf anstehende weitere große Baumaßnahmen wie das Haus der Musik, die Feuerwache in Westbevern, der Erweiterungsbau am Gymnasium. Für mich würde ich diese Frage heute nicht mehr bejahen. Dabei war und ist die Notwendigkeit der Verbesserung der räumlichen und funktionalen Situation an den drei Grundschulen in Telgte unstrittig. Und nach meiner Erinnerung hat der Rat sich auch einstimmig für die Durchführung von Architektenwettbewerben für die Baumaßnahmen ausgesprochen, die sehr aufwändig und damit teuer sind. Was uns diese Verfahren beschert haben, sehen wir jetzt: die Don-Bosco-Schule ist halbfertig; der Altbau sollte nach Wettbewerbsverfahren zunächst saniert, bei genauerem Hinsehen aber jetzt doch abgerissen werden. Bei der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung des prämierten Wettbewerbsbeitrags an der Marienschule wurden u.a. Flächen falsch angesetzt und zu geringe Gesamtkosten ermittelt. Da darf man als politisch verantwortlicher Entscheider schon fragen, auf welchen Grundlagen wir hier eigentlich Beschlüsse fassen. Der Bürgermeister hat recht, wenn er bei Kritik aus dem politischen Raum sagt, er setze nur die Beschlüsse aus den politischen Gremien um. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass diese Beschlüsse meist auf Beschlussvorlagen der Verwaltung beruhen. Die Verwaltung prägt in entscheidendem Maße den kommunalen Willensbildungs- und Entscheidungsfindungsprozess mit, ist ein entscheidender Impulsgeber der Kommunalpolitik. Sie verfügt in ihren Reihen über Personal, das sich im Gegensatz zu Ratsvertretern hauptberuflich mit den Geschäften der Kommune befasst und ist Spezialist und Träger der Fachkompetenz. Es darf von der Politik sicherlich erwartet werden, dass aus der Verwaltungsspitze und insbes. vom Bürgermeister klare Ansagen an die Politik ergehen, wenn Beschlüsse die finanziellen Möglichkeiten der Stadt überschreiten, wenn die Gefahr einer Überforderung besteht. Hier haben wir nur Herrn Herzig als Mahner und Warner in Erinnerung.

Jetzt ist die finanzielle Not groß und helfen sollen Steuererhöhungen; die Einnahmen sollen erhöht werden, bei den Ausgaben soll möglichst alles so bleiben wie es ist. Es liegen Vorschläge auf dem Tisch zur Erhöhung der Grundsteuer A und B sowie der Gewerbesteuer. Mit dem Vorschlag zur Grundsteuererhöhung überschreitet die Stadt erstmalig die fiktiven Hebesätze; die Mehrheit im Rat war leider nicht bereit, auf die Auswirkungen der Grundsteuerreform für die Bürger zu warten; die Reform tritt zum 01.01.2025 in Kraft. Der Hebesatz bei der Gewerbesteuer liegt schon jetzt über dem fiktiven Hebesatz; auch dieser soll in 2024 erhöht werden. Die vom Kämmerer dazu ausgerechneten Mehreinnahmen für den städtischen Haushalt sind fehlendes Geld bei den zahlenden Gewerbetreibenden, die unter den schlechten gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen ohnehin schon leiden. Diese Steuererhöhungen tragen wir nicht mit.

Telgte hat, und das nicht erst seit heute, ein Ausgabenproblem; wir geben einfach zu viel Geld aus. Wir geben auch in Zeiten, wo Millionenbeträge in  Baumaßnahmen gesteckt werden, Geld für Dinge aus, die nicht notwendig sind. Die Arbeiten am Dümmert sind ein gutes Beispiel dafür. Und die Folgekosten werden nicht bedacht. Wir hinterfragen nicht mehr die in besseren Jahren beschlossenen Bauprogramme. Herr Herzig hat in 2023 den Rat unterrichtet, als erkennbar wurde, dass die Gewerbesteuereinnahmen weit hinter den Prognosen zurückbleiben würden und auch in den Folgejahren keine Besserung zu erwarten sei. Passiert ist daraufhin eigentlich nichts. Vor allem kam von der Verwaltungsspitze keine substantielle Reaktion. Das ambitionierte Bauprogramm der Stadt wird weiter durchgezogen; koste es was es wolle. Bezahlen können das die nachfolgenden Generationen. Das ganze hat mit Solidität nichts mehr zu tun. 

Wir sind froh, dass sich der Rat mehrheitlich bei der Marienschule für einen konventionellen Bau entschieden hat und somit möglicherweise doch deutliche Einsparungen generiert werden können. Unser Antrag, die im Haushalt stehenden Mittel für die Marienschule mit einem Sperrvermerk zu versehen, hat im Finanzausschuss leider keine Mehrheit gefunden.

Es ist, so sehr wir das bedauern, in Anbetracht der finanziellen Lage der Stadt richtig, keinen Haushaltsansatz für den Glasfaserausbau für wenige begünstigte Haushalte zu bilden. Das gilt auch, wenn die haushalterischen Auswirkungen durch die Nutzungsdauer von 20 Jahren eher gering sind; der Haushalt verträgt keine weiteren Belastungen.

Wir hoffen sehr, dass der Verkauf der städtischen Grundstücke in Telgte Süd an den Investor bald über die Bühne geht; die Signale stehen auf Grün. Die Stadt hat die Einnahmen aus dem Verkauf dringend nötig. Zugleich ist das Schaffen von bezahlbarem Wohnraum wichtig auch für die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Stadt. Hier hat sich ja im letzten Jahr wieder einmal nichts getan.

Für die Sanierung bzw für den Neubau des Rathauses ist auf absehbare Zeit kein Geld vorhanden. Es tut uns leid für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung, die unter so schlechten Arbeitsbedingungen arbeiten müssen. Auch wir haben unsere Bemühungen eingestellt, im Finanzausschuss um mehr Mittel für dieses Bauprojekt zu kämpfen. Es ist finanziell nicht darstellbar. 

Wir werden bei der Abstimmung gleich den Haushalt ablehnen. Uns ist dabei bewusst, dass es für die kommunale Verwaltung nahezu unmöglich ist, aus eigener Kraft für einen ausgeglichenen Haushalt zu sorgen. In dieser Situation aber wieder nur auf Steuererhöhungen zu setzen, die am Ende wieder nicht ausreichen, nicht ausreichen können, ist schlicht zu wenig. 

Ich möchte zum Abschluss kurz Herrn Herzig zitieren:  „wir laufen direkt auf eine Haushaltssicherung zu und tun trotzdem so, als wäre alles wie immer.“